Ralf Grutza erzählt von seiner Erfahrung als Doktorand im letzten Jahr am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Düsseldorf. Seit Oktober 2018 erforscht Ralf Grutza Zytomegalievirus(CMV)-seropositive Personen, um herauszufinden, wie das Virus dem Immunsystem entgeht und die Immunantwort auf andere Virusinfektionen verändert.
Wie hast du angefangen, dich für Wissenschaft zu interessieren, und wann hast du beschlossen, zu promovieren?
Ich war schon immer ein neugieriger Mensch. Ich mag es, Experimente zu planen und Neues zu entdecken – das macht mir einfach Spaß.
Während meines Studiums hatte ich das Glück, in einem Virologielabor der Universität zu arbeiten, an der ich jetzt promoviere. Dadurch habe ich viele verschiedene molekularbiologische Techniken erlernt und hatte die Möglichkeit, mich mit anderen Studierenden auszutauschen, was mir geholfen hat zu erkennen, dass ich wiederkommen und meine eigene Forschung betreiben möchte.
Was findest du an deiner Forschung am interessantesten?
CMV selbst. Wir kennen das Virus schon seit langer Zeit, aber es gibt immer wieder Neues zu entdecken. CMV ist ein Meister darin, sich dem Immunsystem zu entziehen. Wer sich einmal infiziert, bleibt für den Rest des Lebens CMV-positiv. Es ist interessant, den evolutionären Wettstreit zu verfolgen: Das Immunsystem reagiert, das Virus antwortet. Ich finde es beeindruckend, dass etwas so Winziges in der Lage ist, unser komplexes Immunsystem zu überlisten.
Der klinische Aspekt ist ebenfalls faszinierend. Global betrachtet erreicht die Prävalenz in einigen Populationen bis zu > 90 %, abhängig von sozioökonomischen Faktoren und Alter. Die meisten Infizierten leben ohne Komplikationen mit CMV, aber für immungeschwächte Patientinnen und Patienten kann eine Infektion lebensbedrohlich sein, und derzeit gibt es keine Heilung. Durch die Grundlagenforschung zur Biologie von CMV können wir das hoffentlich irgendwann ändern.
Du untersuchst auch, wie CMV die Immunantwort auf andere Viren beeinflusst. Was hast du bisher in Erfahrung gebracht?
Nun, das ist wirklich interessant. CMV verfügt über so viele Immunevasionsmechanismen und kann den Phänotyp unseres Immunsystems mit der Zeit ändern. In meiner ersten Publikation konnte ich bereits zeigen, dass CMV-assoziierte NKG2C+ NK-Zellen in der Lage sind, hoch HLA-E-exprimierende Targets, die zu einer Inhibierung der CMV-spezifischen CD8-T-Zell-Expansion führen können, abzutöten.
Ich habe außerdem CMV-positive und CMV-negative Patientinnen und Patienten und deren Reaktion auf andere Virusinfektionen oder Impfungen untersucht. Eine Studie, an der ich derzeit arbeite, beschäftigt sich mit der Frage, wie CMV-positive Patientinnen und Patienten auf den Influenza-Impfstoff reagieren. In einer zweiten Studie werde ich einen Vergleich mit der Immunantwort nach einer SARS-CoV-2-Impfung anstellen. Die Sammlung der Proben für diese Kohorte wurde durch Lisa Müller, Dr. Marcel Andrée, Professor Heiner Schaal und Professor Ortwin Adams initiiert. Ich werde eine retrospektive Analyse dieser Proben durchführen.
Das ist faszinierend und hochaktuell. Welche Ergebnisse haben die Impfstudien bisher erbracht?
Wir haben bereits begonnen, Blutproben von gegen SARS-CoV-2 und Influenza geimpften Patientinnen und Patienten zu entnehmen und deren humorale Antwort und CMV-Status zu messen. Die Auswirkungen des CMV-Serostatus auf die humorale Impfantwort werden in der Literatur viel diskutiert; ich hoffe, dass wir mit unseren zwei Kohorten zu dieser Diskussion beitragen können.
Der Vorteil unserer Studie liegt darin, dass wir zwei Kohorten mit verschiedenen Impfstoffen vergleichen, und außerdem sind in der Kohorte von Müller und Dr. Andrée viele ältere Menschen. Einige Publikationen haben gezeigt, dass CMV mit einer beschleunigten Immunalterung einhergeht, und das Alter ist an sich bereits mit einer schwächeren Immunantwort nach Impfung gegen SARS-CoV-2 verbunden.1 Wir fassen diese Daten aktuell zusammen und hoffen, sie bald veröffentlichen zu können.
Wie war das Arbeiten während der Pandemie?
Es war eine interessante und manchmal frustrierende Zeit, um in der Forschung tätig zu sein. Ich konnte nicht alle Proben nehmen, die ich für meine Influenza-Studie brauchte, und wir als Gruppe waren gezwungen, anders zu planen. Wie viele andere Forschungslabore auch konnten wir nicht gleichzeitig im Labor arbeiten, wir hatten viele Lieferprobleme und uns sind die Pipettenspitzen ausgegangen. Einige Kolleginnen und Kollegen sind auch komplett auf die Erforschung des Coronavirus umgestiegen, sodass ich aus erster Hand miterleben konnte, wie sich diese neue, wichtige Forschung entwickelt hat.
Hast du deine Arbeit publiziert, und wie war das für dich?
Ja, im April 2020 habe ich mein erstes Paper als Erstautor im Journal of Immunology publiziert.2 Darauf war ich wirklich stolz. Da es ein neuer Prozess für mich war, war ich dankbar für die Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen. Ohne sie wäre es wesentlich schwieriger gewesen. Es war eine Erleichterung, in den ersten Jahren meiner Promotion etwas zu publizieren, da das weniger Druck in meinem letzten Jahr bedeutet. Es ist auch einfach cool, den eigenen Namen im Internet zu suchen und die eigene Forschung angezeigt zu bekommen.
Wir würden dich gerne in den nächsten Monaten noch weiter begleiten; was sind deine nächsten Pläne?
Die nächsten Monate werden für mich interessant, da mein Vertrag bald ausläuft. Ich werde mich hauptsächlich darauf konzentrieren, meine Daten zusammenzutragen und schriftlich festzuhalten. Es ist eine große Hürde für mich, zu akzeptieren, wann es an der Zeit ist, mit den Experimenten aufzuhören. Wenn etwas nicht perfekt ist, möchte man es doch immer wieder versuchen, aber irgendwann muss Schluss sein. Ich muss noch einige weitere Experimente mit den Proben aus der gegen Influenza geimpften Kohorte durchführen, und ich muss einige Pläne mit dem von mir betreuten Masterstudenten ausarbeiten.
Wie war das Verfassen deiner Doktorarbeit bisher?
Ich wusste von Anfang an, dass es in meiner Doktorarbeit um CMV gehen würde, also habe ich schon recht früh angefangen, an der Einleitung zu arbeiten. Momentan trage ich alle meine Daten zusammen, und erst kürzlich habe ich mich mit meinem Betreuer getroffen, um zu besprechen, wie sich die Geschichte am besten erzählen lässt. Zunächst dachte ich, ich hätte nicht allzu viele Daten, aber jetzt, wo ich sie zusammentrage, denke ich „Wow, okay, welche Daten soll ich nehmen? Was passt zur Geschichte?“
Weißt du schon, was du gerne nach der Promotion machen würdest?
Ich würde wirklich gerne in der Forschung und Entwicklung bleiben. Ich habe jetzt Erfahrungen sowohl in der akademischen Welt als auch in der Industrie gesammelt, und beide haben ihre Vor- und Nachteile. Es wäre interessant, meine eigene Forschung in der akademischen Welt fortzusetzen, aber es ist nicht leicht, an einen „sicheren“ Job zu kommen. Die Industrie bietet Arbeitsplätze mit mehr Sicherheit und ich würde weiterhin Forschung betreiben, aber es gibt keine Garantie, dass ich immer an Projekten arbeiten würde, die meinen Interessen entsprechen. Es ist eine schwierige Entscheidung, aber ich wäre für beide Optionen offen, sofern das Projekt mich interessiert.
Welche Erfahrungen hast du in der Industrie gemacht, und wie unterscheidet sich diese von der akademischen Welt?
Die Arbeit in der Industrie hat Spaß gemacht und war cool. Ich habe in der „Instrument and Detection“-Gruppe bei QIAGEN gearbeitet. Ursprünglich war ein sechsmonatiges Projekt im Rahmen meines Masters geplant, aber ich hatte das Gefühl, noch mehr Erfahrungen sammeln zu müssen, sodass ich letztendlich 11 Monate blieb.
Der Hauptunterschied zwischen akademischer Welt und Industrie besteht darin, dass das Ziel ein anderes ist. In der akademischen Welt geht es darum, Paper zu veröffentlichen, in der Industrie will man ein kommerzielles Produkt entwickeln, und beides bringt spezielle Herausforderungen und Zwänge mit sich.
Welchen Rat würdest du Personen geben, die am Anfang ihrer Promotion stehen?
Ich würde ihnen zu viel Literaturrecherche raten. Nimm dir die Zeit, das Thema zu verstehen, bevor du mit der Planung von Experimenten anfängst. Und rede mit den Mitgliedern deiner Gruppe. Im Laufe der Zeit helfen sie dir, und du hilfst ihnen. Natürlich werden Experimente fehlschlagen, und du wirst es einfach weiter versuchen müssen, aber es gibt immer jemanden im Labor, dem es ähnlich geht – trinkt ein Bier zusammen und tauscht euch aus.
Welchen Rat würdest du jemandem geben, der darüber nachdenkt, zu promovieren?
Du solltest wissen, wie sich Frustration anfühlt. Du musst für dein Thema brennen. Tu es nicht nur, um ein paar Buchstaben vor deinen Namen schreiben zu können.
Es ist auch immer gut, Erfahrungen zu sammeln; selbst ein kurzes Praktikum kann helfen. Ich wollte wissen, wie Forschung in der Industrie aussieht, wobei mir das Praktikum bei QIAGEN sehr geholfen hat. Das Vorstellungsgespräch war schwer, aber es hat sich gelohnt. Es kommt nicht sehr häufig vor, dass Masterstudierende ihr Forschungsprojekt in der Industrie durchführen, aber ich kann es nur empfehlen, besonders wenn du dir vorstellen kannst, später in der Industrie zu arbeiten – Erfahrung ist entscheidend.
Was machst du gerne, wenn du gerade nicht im Labor arbeitest oder an deiner Doktorarbeit schreibst?
Ich liebe Musik und spiele Gitarre, seit ich 5 Jahre alt bin. Mit 17 musste ich mich zwischen einer Karriere in der Musik und der Wissenschaft entscheiden. Ich entschied mich für die Wissenschaft, da diese vielseitiger ist und mehr Jobmöglichkeiten bietet.
Ich kann auch nicht ohne Fußball. Ich habe schon sehr jung zu spielen angefangen und bin oft mit Freunden und Familie ins Stadion gegangen, um Bayer Leverkusen spielen zu sehen.
Im ersten Jahr meiner Promotion hatte ich mehr Zeit für Hobbys, aber jetzt bin ich im letzten Jahr und mit Schreiben beschäftigt; darauf verwende ich also aktuell einen Großteil meiner Zeit.
Ausgewählte Publikationen
- Lisa Müller, Marcel Andrée, Wiebke Moskorz, Ingo Drexler, Lara Walotka, Ramona Grothmann, Johannes Ptok, Jonas Hillebrandt, Anastasia Ritchie, Denise Rabl, Philipp Niklas Ostermann, Rebekka Robitzsch, Sandra Hauka, Andreas Walker, Christopher Menne, Ralf Grutza, Jörg Timm, Ortwin Adams, Heiner Schaal. Age-dependent immune response to the Biontech/Pfizer BNT162b2 COVID-19 vaccination. Clin Infect Dis. 2021. https://doi: 10.1093/cid/ciab381
- Ralf Grutza, Wiebke Moskorz, Tina Senff, Eugen Bäcker, Monika Lindemann, Albert Zimmermann, Markus Uhrberg, Philipp A. Lang, Jörg Timm, Christine Cosmovici. NKG2Cpos NK Cells Regulate the Expansion of Cytomegalovirus-Specific CD8 T Cells. J Immunol, 2020 DOI: https://doi.org/10.4049/jimmunol.1901281